Mein ausbildender Richter in der Zivilstation hat sich oft über Kollegen beschwert, diedie außergerichtliche Anwaltstätigkeit falsch einklagten. Was war das Problem?
Zunächst muss man Folgendes wissen. Anwaltliche Tätigkeit im Verfahren (ab Klageerhebung oder Mahnverfahren) wird über die Vorschrift der §§ 91 ff ZPO als Kosten des Rechtsstreits behandelt.
Es kommt aber oft vor, dass der Anwalt schon vorgerichtlich tätig ist. Diese Kosten werden im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt – sie müssen daher zusätzlich zur Hauptforderung in der Klage geltend gemacht werden.
Zu denken sind an folgende Kostenerstattungsansprüche des Rechtsanwalts:
- Rechtsverfolgungskosten als weiterer Schaden nach § 249 BGB.
Macht der Kläger einen Schadensersatzanspruch geltend und ist der Schaden tatsächlich gegeben, so kann es erforderlich sein, anwaltliche Hilfe zur Rechtsdurchsetzung zu nehmen. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn der Gegner sich weigert, den Schaden zu begleichen. Dabei handelt es sich bei den Rechtsverfolgungskosten im eigentlichen Sinne nicht um einen Schadensersatzanspruch (unfreiwillige Vermögenseinbußen), sondern um einen Aufwendungsersatzanspruch (freiwillige Vermögenseinbuße). Soweit die Aufwendungen adäquat kausal durch den Schädiger verursacht wurden, besteht auch der Erstatttungsanspruch. Anspruchsvoraussetzungen sind daher im haftungsbegründenden Tatbestand das Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens und im haftungsausfüllenden Tatbestand die Notwendigkeit der Anwaltskosten. Im Detail ist vieles nicht geklärt. Als Faustformel gilt: bei einfacheren Fallkonstellationen muss der Anspruchssteller versuchen, seine Ansprüche selbst geltend zu machen und erst bei Weigerung der Gegenseite den Anwalt zur Hilfe nehmen. Dabei gilt, dass auch ein einfacher Verkehrsunfall stets und sofort die Notwendigkeit der Anwaltskosten begründet.
- Anwaltskosten als Verzugsschaden
Ist der Gegner mit seiner Leistung im Schuldnerverzug nach § 286, so gehören die Anwaltskosten zum Verzögerungsschaden (§ 280 Abs. 2 BGB). Hier passiert folgender Fehler: Der Anwalt muss erst nach Eintritt des Verzugs eingeschlatet werden. Wenn der Rechtsanwalt den Schuldner durch sein Anwaltsschreiben erst in Verzug setzt, können die bis dahin angefallenen Kosten nicht als Verzugsschaden erstattet werden.
Zu beachten sind ferner folgende Details:
Der Schaden muss bei seiner Geltendmachung dem Geschädigten schon entstanden sein. Das heißt, zur Schlüssigkeit der Klage muss der Kläger vortragen, dass er die Anwaltsrechnung bereits beglichen hat. Dies ist vorsorglich unter Beweis durch Zeugenvernehmung des Rechtsanwalts oder seiner Angestellten zu stellen. Ist das noch nicht erfolgt, so ist der Antrag nicht auf Schadensersatz, sondern auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten zu stellen. Dass Anwälte das oft übersahen, hat meinen Ausbilder auf die Palme gebracht. Hierfür hatte er schon einen Textbaustein als richterlichen Hinweis parat.
Ferner muss der Geschädigte für die Geltendmachung des Schadens aktiv legitimiert sein. Ist er rechtsschutzversichert und hat die Rechtsschutz für die außergerichtliche Tätigkeit bereits gezahlt, gilt § 86 VVG, wonach Ersatzansprüche auf diese kraft Gesetzes übergehen. Wenn der Geschädigte Anwaltskosten im eigenen Namen geltend macht, muss er sich vorher diese von der Rechtschutz abtreten lassen. Manche Rechtsschutzversicherungen erklären sich mit der Geltendmachung dieser Kosten schon in der Deckungszusage für ein einverstanden. Dann kann dieses Schreiben zur Schlüssigmachung der Klage mit eingereicht werden. Sonst empfiehlt es sich bei der Rechtsschutz nach diesen Modalitäten zu erkundigen.
Da sollte Ihr ehemaliger Ausbilder mal die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung verfolgen. Denn die ist sich einig, dass sich der Kläger gerade nicht auf den Freistellungsanspruch verweisen lassen muss, sondern die RA-Kosten nach § 250 S.2 BGB als Schadensersatz geltend machen kann (vgl. nur OLG München v. 26.02.216 – Az. 10 U 579/15 – m. w. N.).
Vielen Dank für den Hinweis! Ich zitiere die entscheidende Passage zur Ergänzung meines Blogbeitrags:
Ja, ein leidiges – weil umfangreich abgehandeltes und daher „gegessenes“ – Thema!
Dass sich Ihr Ausbilder über derartiges „aufregt“, lässt m.E. tief blicken.
In diesem Bereich gibt es viel spannendere Themen:
– Ausgleich vielleicht durch Rechtsschutzversicherung (dann u.U. fehlende Aktivlegitimation, vgl. § 86 VVG)?
– in diesem Zusammenhang: Mögliche Gebührenvereinbarung RA mit der RS? Dann auch im Verhältnis zum Mandanten ein entsprechender Verzicht auf diese Gebühren – also kein (weiterer) Schaden, also kein (weiterer) Anspruch.
Was viel häufiger vorkommt, sind Kollegen, die Rechtsanwaltsgebühren geltend machen, obwohl überhaupt keine Anspruchsgrundlage dafür besteht, z.B. weil kein Verzug eingetreten ist oder die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes (noch) nicht erforderlich war.
Warum diese Kollegen dies tun, ist aber ebenso offensichtlich: Entsprechende Streitwerte vorausgesetzt, haben diese „nicht streitwerterhöhende Kosten“ keinen Einfluss auf die Quote.
Man kann derartiges also relativ risikofrei geltend machen (bei kleineren Streitwerten kann dies aber durchaus auch auf die Quote durchschlagen (denn der Streitwert, nach welchem die Gebühren bemessen werden, ist nach Teilen der Rechtsprechung nicht der Streitwert, an welchem der Grad des Obsiegens/Unterliegens bestimmt wird!).
Und es „wirkt“ einfach nicht gut, wenn der außergerichtlich vertretene Mandant auf den diesbezüglichen Kosten sitzen bleibt, auch wenn er im vollem Umfang obsiegt. Das kann man einem Normalsterblichen eben nicht vermitteln.
Also darf das Gericht darüber entscheiden (manchmal – machen wir uns nichts vor – werden da auch erhebliche Fehler gemacht).
Zum Punkt Anspruchsgrundlage noch: Spannend ist auch die Frage, wann die Verteidigung gegen eine unberechtigte Forderung einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der außergerichtlichen Gebühren gegen den Gegner auslöst.
Das ist regelmäßig nur der Fall bei einer vertraglichen Sonderbeziehung oder im Falle vorsätzlicher sittewidriger Schädigung.
Vielen Dank, RAJohnDoe für Ihren ausführlichen Kommentar! Zum letzten Absatz ist in Kürze ein Beitrag geplant.
Und immer wieder wird bestritten, dass die eingeklagten RVG-Gebühren auch gezahlt wurden. Dabei wird verkannt, dass es darauf nicht ankommt: OLG Köln, Urt. v. 13. Mai 2015, 11 U 96/14. Also auch, wenn der Mandant die Kosten überhaupt nicht hat, weil er den Anwalt nicht oder anders bezahlte, hat er Anspruch auf schadensbedingten Ausgleich.
Weiß jemand wie das ist, wenn ein Antrag auf Freistellung der außergerichtlichen Kosten gestellt wurde, diese aber schon bezahlt wurden? Ist der Antrag dann gem. §§ 133, 157 in einen Zahlungsanspruch auszulegen?
Hallo,
wie sieht es bei den außergerichtlichen Anwaltskosten denn genau aus, wenn diese wegen nicht Vorliegen von Verzug vom Gegner nicht gezahlt werden müssen:
Im Innenverhältnis bekommt der Anwalt vom Mandat die Gebühren bezahlt. Bei den prozessualen Gebühren bekommt der Anwalt doch mehr, weil keine Anrechnung der außergerichtlichen Gebühren stattfindet, so dass der Anwalt seinem Mandant einen Teil zurückzahlen müsste. Ansonsten bekäme er doch zuviel, nämlich außergerichtlich vom Mandant und gerichtlich ohne Anrechnung.
Wie genau sieht das also aus?